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Der Wald ruft

Ein Interview mit der Leiterin des staatlichen Forstbetriebs Kelheim, Sabine Bichlmaier

Der Herbst ist die Zeit der kürzer werdenden Tage, Frost in der Nacht und Nebel im Morgengrauen. Der Herbst ist die Zeit des bunten Laubs und der klaren Luft. Und der Herbst ist auch die Zeit der Früchte aus Garten, Feld und Wald: Äpfel und allerlei Nüsse, Kohl und Kartoffeln, Pilze und…. Wildbret!

Frisches Wildfleisch gibt es je nach Wildart nur zu den Jagdzeiten, und diese liegen für die meisten Wildtiere zwischen Mai und Januar. Manche Tiere wie Rebhühner oder Fasane dürfen sogar nur während zwei bis drei Monaten, dagegen Wildschweine ganzjährig bejagt werden.

Lebensraum der meisten Wildtiere, die wir als Wildbret nutzen, ist der Wald. 37 % der Landesfläche Bayerns ist bewaldet. Das sind 2,6 Mio. Hektar. Davon sind 805.000 Hektar im Besitz der Bayerischen Staatsforsten, die sich mit 41 Forstbetrieben und 370 Revieren um diese Waldflächen kümmern.

Einen dieser Forstbetriebe, den um Kelheim, leitet seit 2016 Sabine Bichlmaier. Sie hat an der Ludwig-Maximilians Universität in München Forstwissenschaften studiert und ist seit fast vierzig Jahren selbst Jägerin. Außerdem ist sie Verbandsrichterin im Jagdgebrauchshundeverband und züchtet selbst Labrador Retriever.

Wo man frisches Wildbret kaufen kann, was man dabei berücksichtigen muss und vieles mehr rund um  Jagd und Forst erklärt Sabine Bichlmaier im Interview.

 

Regionalportal: Frau Bichlmaier, Sie sind Jägerin und Försterin. Ist ihr Arbeitsplatz manchmal auch im Revier, oder jagen Sie nur privat?

Bichlmaier: Ich bin auch in unserem Fortbetrieb als Jägerin aktiv und leite unsere Drückjagden1. Bei den Bayerischen Staatsforsten hat jede Revierleiterin/jeder Revierleiter und jede Forstbetriebsleiterin/jeder Forstbetriebsleiter eine Jagdausbildung, Jagd ist also Dienstaufgabe. Es ist aber nicht immer so, dass Jäger auch gleichzeitig Förster sind! Private Jäger und Jägerinnen üben die Jagd als Hobby aus.  

 

Regionalportal: Die Verbraucher wissen zwar, dass die Jagd wichtig ist, um den Wald vor Verbiss oder landwirtschaftliche Flächen vor Schäden zu schützen und dass Wild im Gegensatz zu Rindern oder Schweinen im natürlichen Umfeld gelebt hat, bevor es erlegt worden ist. Dennoch fällt vielen der erste Schritt schwer, auch einmal Wild in der eigenen Küche zu verarbeiten. Was könnte die Verbraucher noch überzeugen?

Bichlmaier:  Das stimmt, die Tiere haben ein selbstbestimmtes Leben geführt! Wildbret von den Bayerischen Staatsforsten ist ein regionales, bayerisches Produkt. In diesem Sinne ist das Fleisch auch noch ökologisch, weil im Wald keine Spritz- und Düngemittel ausgebracht werden.

 

Regionalportal: Sie sind seit 40 Jahren Jägerin. Wenn ich als Verbraucher/in nun aber noch nie Wildbret gegessen habe und es einmal probieren möchte, mit welchem Wildbret fange ich am besten an?

Bichlmaier:  Als Jägerin kann ich natürlich ein ganzes Tier zerlegen. Für Sie als Verbraucher stehen in der Wildbret-Vermarktung der Bayerischen Staatsforsten die fertigen Einzelteile zum Verkauf, zum Beispiel Steaks, Ragout, Keule, Filet und im Sommer auch Grillwürste, eingelegtes Grillfleisch oder Fleisch für Burger. Außerdem liegen Flyer mit saisonalen Rezepten aus. Rehwild hat einen ganz exzellenten Geschmack und die Kitze, die Anfang September geschossen wurden, sind wegen ihres zarten Fleisches eine Delikatesse und aufgrund ihrer Größe auch für kleine Portionen sehr gut geeignet. Für Wildbret-Anfänger sind auch Wildwürste, Wildschweinschinken oder Wildburger eine tolle Sache.

 

Regionalportal:  Es muss also nicht immer Kaninchen in Rotweinsoße sein. Fasst man also den Entschluss, Wildbret zu probieren, stellt sich die Frage, woher bekommt man es und worauf muss man hinsichtlich der Qualität achten?

Bichlmaier: Die Forstbetriebe der Bayerischen Staatsforsten haben eigene Verkaufsräume, in denen die verschiedensten Wild-Spezialitäten angeboten werden (→ Wildverkaufsstellen der Bayerischen Staatsforsten). Das Wild kommt direkt nach der Jagd in die Kühlkammer. Wildportionen werden für den Verkauf vakuumisiert und tiefgefroren. So wird für eine gleichbleibend hohe Qualität gesorgt.

 

Regionalportal: Für jedes Obst und Gemüse gibt es eine Saison, in welcher die Qualität bezüglich Frische und Reife optimal ist, z.B. Spargel ab April oder Erdbeeren im Frühsommer. Verhält es sich mit Wildbret ebenso?  

Bichlmaier:  Aufgrund der vorgegebenen Schusszeiten ist Wildbret an sich saisonal. Rehwild wird vom 1. Mai bis 15. Januar bejagt, Schwarzwild (Wildschweine) inzwischen ganzjährig. Aber zum Beispiel haben Schmalrehe (einjährige Rehe), die Anfang Mai geschossen wurden, ein besonders zartes Fleisch.

 

Regionalportal: Thema Geschmack: Manche Menschen mögen den Wildgeschmack einfach nicht. Was können Sie dazu sagen?

Bichlmaier: Wir kennen das Problem, dass viele Verbraucher einmal Wildbret gegessen haben, welches schlecht zubereitet worden ist oder eine minderwertiger Qualität hatte und dann einfach kein Wildbret mehr kaufen. Früher wurde Wildfleisch von brunftigen Tieren oft in Essig oder Buttermilch eingelegt, um den unangenehmen Geschmack zu übertünchen. Heutzutage gibt es ganz andere Zubereitungsformen, bei denen das gute Aroma nicht verloren geht.

 

Regionalportal: Sie erwähnen häufig das Reh. Es ist auch Tier des Jahres 2019. Was macht das Reh aus Ihrer Sicht so besonders?

Bichlmaier: Rehe machen den mengenmäßig größten Anteil unseres Wildbrets aus. Wir haben etwa 1400 Rehe jedes Jahr. Dagegen waren es letztes Jahr nur 260 Wildsauen. Ihre Anzahl schwankt von Jahr zu Jahr sehr stark je nach Angebot an Eicheln und Bucheckern. Gerade Rehe sind Schleckermäuler und haben eine vielseitige und gute Ernährung, was sich in der vorzüglichen Qualität und dem exquisiten Geschmack wiederfindet. Ich vergleiche das gerne mit einem Bauern, der den besonders guten Geschmack der Milch seiner Kühe, damit erklärt, dass sie nur bestes Wiesenheu zu fressen bekommen.

 

Regionalportal:  Welche Vorteile habe ich, wenn ich mein Wildbret bei einem Forstbetrieb der Bayerischen Staatsforsten kaufe?

Bichlmaier:  Es gibt mehrere Vorteile. Zum einen, die bereits angesprochene Qualität hinsichtlich der Hygienemaßnahmen. Darüber hinaus können wir über die große Menge der erlegten Tiere eine sehr hohe Qualität bieten. Zum Beispiel wird jedes Wildschwein auf den Becquerel-Wert2 seines Fleisches hin untersucht. Das ist Standard, und wir können garantieren, dass kein über den gesetzlich vorgegebenen Grenzwert hinaus belastetes Fleisch an den Verbraucher kommt. Rauschkeiler, also Keiler in der Brunft, deren Fleisch hormonell bedingt einen unangenehmen Geschmack besitzt, werden ebenfalls grundsätzlich nicht zum Verkauf angeboten.

 

Regionalportal: Zum Abschluss noch eine Frage: Was war ihr schönstes Jagderlebnis?

Bichlmaier:  Also ich bin eher eine „Bratpfannenjägerin“, mir bedeuten die Trophäen nicht so viel. Die schönsten Erlebnisse auf der Jagd habe ich tatsächlich mit meinen Hunden. Zum Beispiel bei einer erfolgreichen Nachsuche oder beim Anwechseln. Das bedeutet, dass der Hund die Fährte eines Tieres verfolgt und das Wild direkt vor den Hochsitz führt.

 

Regionalportal: Liebe Frau Bichlmaier, herzlichen Dank für das interessante Interview!  

 

Der Forstbetrieb Kelheim veranstaltet im Hof des Gebäudes am 1. Dezember von 14 bis 21 Uhr einen kleinen Weihnachtsmarkt, an dem unter anderem alle möglichen Wildbret-Spezialitäten zum Verkauf und zur Verköstigung angeboten werden.

 Neben den Bayerischen Staatsforsten bieten auch private Jäger und Landwirte mit Jagdpacht Wildbret an. Unter dem Suchbegriff "Wildbret" finden sie im Regionalportal viele Anbieter verschiedenster Köstlichkeiten wie Wildsalami, Wildbratwurst, oder küchenfertige Wildgerichte.

 

Hier alle Links:

Bayerische Staatsforsten

Forstbetrieb Kelheim

 

1 Die Drückjagd ist eine Bewegungsjagd mit mehreren Jägern, bei denen Hundeführer/innen mit ihren Hunden ein Waldgebiet durchkämmen und so das Wild vor die Büchse der Schützen und Schützinnen treiben.

2 Der Becquerel-Wert gibt die Aktivität ionisierender Strahlung an. Seit dem Reaktorunglück in Tschernobyl wird Fleisch von Wildschweinen standardmäßig auf seinen Gehalt an radioaktiver Strahlung hin untersucht. Die Messung wird nur an Wildschweinen durchgeführt, weil diese ihre Nahrung hauptsächlich vom und aus dem Boden aufnehmen (Trüffel und andere Pilze), die regional unterschiedlich durch Regenfälle mit radioaktiven Substanzen in Berührung gekommen sind. Fleisch von Wildschweinen stellt keine Belastung für den menschlichen Körper dar und kann bedenkenlos verzehrt werden.

 

Bildnachweis: Andreas Miller


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